hat es sich u.a. zur Aufgabe gemacht, die Wahrung der Menschenrechte Älterer in der Pflege zu stär ken. Das wissenschaftliche Projekt „Beschwerde.

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Das Institut Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist die unabhängige Nationale Menschenrechtsins- titution Deutschlands. Es ist gemäß den Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen akkreditiert (A-Status). Zu den Aufgaben des Instituts gehören Politikberatung, Menschenrechtsbildung, Informa- tion und Dokumentation, anwendungsorientierte Forschung zu menschenrechtlichen Themen sowie die Zusammenarbeit mit internationalen Organisa- tionen. Es wird vom Deutschen Bundestag ˚nan- ziert. Das Institut ist zudem mit dem Monitoring der Umsetzung der UN -Behindertenrechtskonven- tion und der UN-Kinderrechtskonvention betraut worden und hat hierfür entsprechende Monito ring -Stellen eingerichtet. Die Autor_innen Roger Meyer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen das Menschen recht auf Gesundheit sowie Menschen -rechte in der P˜ege und von älteren Menschen. Im Rahmen der Berichterstattung an die Europä- ische Grundrechteagentur in Wien (Fundamental Rights Agency, FRA) koordiniert er für das Deut -sche Institut für Menschenrechte rechtliche und sozialwissenschaftliche Studien zur Grundrechts -situation in Deutschland. Laura -Maria Jordan ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitete bis April 2020 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt —Außergerichtliche Be -schwerdemöglichkeiten in der Altenp˜egefi am Deutschen Institut für Menschenrechte. Zuvor war sie mehrere Jahre am Institut für Medizinische Soziologie an der Charité Berlin im Bereich der Alter(n)sforschung tätig. Zu ihren Arbeitsschwer -punkten zählt die empirische Sozialforschung, im Besonderen die Organisation und Durchführung von qualitativen und quantitativen Datenerhebun -gen. Konzeption Heike Rabe war bis August 2020 verantwortlich für die Konzeption und Durchführung des Projek -tes —Außergerichtliche Beschwerdemöglichkeiten in der Altenp˜egefi.

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Vorwort des Deutschen Instituts für Menschenrechte Was haben die universell geltenden Menschen -rechte mit den konkreten Beschwerdemöglich- keiten von Bewohner_innen in P˜egeheimen zu tun? Menschenrechte sollen in ihrem Kern die Menschenwürde aller Menschen schützen. Men -schenwürde bedeutet, dass jeder Mensch einen Wert an sich hat Œ und zwar alle Menschen glei -chermaßen. Deshalb gilt jedes Leben zu jeder Zeit gleich viel und ist gleichermaßen zu achten. Mit der Achtung der Menschenwürde untrennbar ver -bunden sind Achtung und Schutz der Autonomie jedes Menschen: Weil jeder Mensch einen Wert an sich hat, ist auch nur er selbst dazu berufen zu entscheiden, wie er leben will. Die Menschen -rechte dienen dazu, diese Selbstbestimmung zu sichern. Gerade in den von Abhängigkeit und Hilfs -bedürftigkeit geprägten Lebenssituationen von p˜egebedürftigen Menschen beweist sich das Ver -sprechen der Menschenrechte. Jedoch liefern Be -richte aus Wissenschaft und Praxis Hinweise auf Mängel, Schwierigkeiten und gar Menschenrechts -verletzungen in der stationären Altenp˜ege. Aus den Menschenrechten kommt dem Staat die P˜icht zum Schutz der Menschenwürde hilfe – und p˜egebedürftiger Menschen zu. Gesellschaftliche Akteure sind aufgerufen, zu diesem Schutz beizu -tragen Œ indem sie ihn selbst gewähren und sich dafür einsetzen, dass alle staatlichen und gesell -schaftlichen Akteure die Menschenwürde jedes Menschen, auch und gerade hilfe – und p˜egebe -dürftiger Menschen, achten und schützen. Dazu gehört auch, Rahmenbedingungen dafür zu schaf -fen, dass Hindernisse beim Zugang zum Recht ab -gebaut werden und Menschen mit P˜egebedarfen Rechtsverletzungen adressieren können. Für die Betro˛enen ist es wichtig, dass sie auf Rechtsver -letzungen aufmerksam machen können und dabei auf Mechanismen zugreifen können, mit denen sie ihren Willen, ihre Rechte und ihre Beschwerden zum Ausdruck bringen können Œ und zwar ohne dass sie schwerwiegende soziale Kosten wie eine Verschlechterung der P˜ege oder andere Repres -salien befürchten müssen. Um Menschen mit P˜egebedarfen dabei zu unter -stützen, ihre Bedürfnisse und Rechte geltend zu machen, sind niedrigschwellige Beschwerdemög -lichkeiten von entscheidender Bedeutung. Mit au -ßergerichtlichen Beschwerdeverfahren verbindet sich die Erwartung, die Situation von Menschen mit P˜egebedarfen in Kon˜iktfällen zu verbessern: weg von einer Position des Ausgeliefertseins in einem Kontext, in dem die Gewährung von Rech -ten oftmals noch als Gnadenakt verstanden wird, hin zu einer selbstbewussten Position, in der die eigenen Rechte bekannt und die Verfahren so ge -staltet sind, dass sie auch genutzt werden können und zur Abhilfe führen. Der dahinterstehende Gedanke ist auch: Verletz -lichkeit ist keine objektive oder natürliche Eigen -schaft von Menschen mit P˜egebedarfen, sondern sie ist vielmehr eine relationale Kategorie. Die Vulnerabilitätsrisiken von Menschen sind umso stärker, je weniger ihnen ein unterstützender Personenkreis oder unterstützende Handlungs -möglichkeiten zur Verfügung stehen, um gegen Rechtsverstöße vorgehen zu können. Außerge -richtliche Beschwerdeverfahren sollen im besten Falle dazu beitragen, dass Menschen ihre eigenen Rechte selbst mobilisieren können, sie also dazu ermächtigen, selbst ein Stück mehr auf die Gestal -tung ihrer Lebensbedingungen Ein˜uss nehmen zu können und damit auch in Situationen großer Vul -nerabilität Autonomie zu erleben.

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Es ist daher wichtig, danach zu fragen, ob in der Praxis die Voraussetzungen bestehen, dass Menschen in P˜egeeinrichtungen außergericht -liche Beschwerdeverfahren wahrnehmen kön -nen und ob die Verfahren leicht zugänglich sind. Die Empfehlungen, die das Deutsche Institut für Menschenrechte in diesem Eckpunktepapier zur Verbesserung von außergerichtlichen Beschwerde -verfahren formuliert, fußen auf einem Forschungs -projekt, in dem insbesondere Menschen mit P˜egebedarfen, aber auch ihre Angehörigen und andere ihnen nahestehende Personen von ihren Erfahrungen mit Beschwerdeverfahren berichten konnten. Im Forschungsbericht zum Projekt, der unter www.institut -fuer-menschenrechte.de ab-rufbar ist, wird unter anderem deutlich, wie hoch der Leidensdruck von Menschen in P˜egeein -richtungen ist, bevor sie erwägen, gegen Rechts -brüche konkret vorzugehen. Die geschilderten Probleme reichen von schwerwiegenden Verlet -zungen der Grund – und Menschenrechte wie einer unzureichenden Flüssigkeitsversorgung bis hin zu vermeintlichen Kleinigkeiten wie etwa der Ein -schränkung von Wahlmöglichkeiten bei den Mahl -zeiten oder der Körperp˜ege Œ Themen, die für die Betro˛enen eine hohe Relevanz besitzen können. Auf die eingangs gestellte Frage, was die univer -sell geltenden Menschenrechte mit den konkreten Beschwerdemöglichkeiten von Bewohner_innen in P˜egeheimen zu tun haben, lässt sich demnach antworten: Beschwerdemöglichkeiten können ein Garant dafür sein, dass Menschenrechte nicht nur als abstrakte Prinzipien auf dem Papier stehen, sondern in der Praxis auch gelebt werden können. Beschwerdemöglichkeiten sichern damit in P˜ege -heimen den Bewohner_innen Selbstbestimmung, machen diese erfahrbar und sind damit zentraler Baustein für die Achtung ihrer Menschenwürde. Professorin Dr. Beate Rudolf Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte

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Vorwort der Josef und Luise Kraft -Stiftung Menschenrechte sind Rechte und Freiheiten, die jeder Person gleichermaßen und unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Gesundheitszu -stand zustehen. Es ist die P˜icht des Staates, aber auch der Gesellschaft, diese Rechte und Freihei -ten zu wahren und zu schützen. Zur e˛ektiven Um – und Durchsetzung der Menschenrechte gehören Schutzsysteme, die zum Einsatz kommen, wenn Menschenrechtsverletzungen drohen oder bereits erfolgt sind. Ältere Menschen, die in stationären Einrichtungen leben und gep˜egt werden, stehen diese Men -schenrechte gleichermaßen und uneingeschränkt zu. Jedoch sind sie oft durch ihre körperliche und/ oder geistige Verfassung benachteiligt. Im P˜ege -alltag kann es zu Verletzungen von Grundrechten kommen. Die Corona -Pandemie und die entsetz -liche Lage von Heimbewohnern_innen während dieser Zeit in Deutschland und in anderen Ländern hat dies sehr schmerzlich aufgezeigt. Die Josef und Luise Kraft -Stiftung aus München hat es sich u.a. zur Aufgabe gemacht, die Wahrung der Menschenrechte Älterer in der P˜ege zu stär -ken. Das wissenschaftliche Projekt —Beschwerde -mechanismen in der Altenp˜egefi, welches vom Deutschen Institut für Menschenrechte durch -geführt wurde, ist ein wichtiger Schritt hin zur Gleichberechtigung und Stärkung von Heimbewoh -ner_innen als Träger_innen von Menschenrechten. Die erarbeitete Analyse zeigt, wie Heimbewohner_ innen, deren Angehörige und P˜egende im Alltag mit menschenrechtsrelevanten Themen konfron -tiert werden. Sie erö˛net vielfältige Ansätze für e˛ektive Beschwerdeverfahren. Neben rechtlichen und institutionellen Vorkehrungen wird insbeson -dere auf die Rolle einer positiven Beschwerdekul -tur hingewiesen, ohne die Beschwerden meistens ungeäußert bleiben. In diesem Kontext wird be -sonders deutlich, welch wichtigen Beitrag beruf -lich P˜egende jeden Tag leisten. Ihre Tätigkeit ist mit vielen Herausforderungen verbunden, bei denen es um die Wahrung der Rechte und den Schutz von Heimbewohner_innen geht. Eine kons -truktive und positive Kommunikationskultur ist ein Kernbestandteil der personenzentrierten und be -ziehungsorientierten P˜ege und für die Wahrung der Menschenrechte der Gep˜egten wie auch für das Gelingen von Beschwerdeverfahren unum -gänglich. Mit zwölf Empfehlungen für e˛ektive Beschwer -deverfahren in der stationären P˜ege leistet das Deutsche Institut für Menschenrechte einen wich -tigen Beitrag zur praktischen Umsetzung von Men -schenrechten in stationären P˜egeeinrichtungen. Die Josef und Luise Kraft -Stiftung dankt den Mitar -beiterinnen und Mitarbeitern von Herzen für ihren Einsatz zur Erstellung der Empfehlungen, die für unsere älteren, p˜egebedürftigen Mitmenschen in ihrem täglichen Leben von großer Bedeutung sind. Dr. Harald Mosler und Dr. Caroline Emmer de Albuquerque Green Josef und Luise Kraft -Stiftung

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Zusammenfassung In der vorliegenden Publikation werden die Er -gebnisse des Forschungsprojektes —Beschwerde -mechanismen in der Altenp˜egefi des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin zusammen -gefasst und darauf aufbauend zwölf Handlungs -empfehlungen für die Gestaltung und Umsetzung e˛ektiver Beschwerdeverfahren in der Altenp˜ege formuliert. Die Empfehlungen zeigen auf, wie es Betro˛enen ermöglicht wird, ihre Bedürfnisse und Rechte leichter artikulieren und auch einfordern können. Eines der zentralen Ergebnisse ist: Be -schwerdeverfahren gelingen nur im Zusammen -spiel vieler Faktoren, die auf ganz unterschiedliche Bereiche zielen. Voraussetzung für die Äußerung von Beschwerden ist es, dass die Beschwerdever -fahren leicht zugänglich und niedrigschwellig sind. Die entsprechenden Empfehlungen zeigen, dass dafür interne und externe Beschwerdeverfahren bekannter gemacht werden müssen und die Be -schwerdeberatung und -unterstützung gesichert werden muss. Die Transparenz eines laufenden Beschwerdeverfahrens stellt einen weiteren Fak -tor zum Gelingen von Beschwerdeverfahren dar. Dazu gehört es, Beschwerdeführer_innen regel -mäßig über den Verfahrensstand zu unterrichten. Die Empfehlungen zeigen auch auf, welche recht -lichen Rahmenbedingen für Beschwerdeverfahren verbessert werden müssen. Zu nennen ist hier insbesondere eine Stärkung der Mitwirkungs -möglichkeiten der Bewohnerbeiräte bei internen Beschwerdeverfahren als auch eine Weiterent -wicklung von Prüfvorgaben für die Implementie -rung von internen Beschwerdeverfahren. Die Publikation macht insbesondere deutlich, dass alle institutionellen, organisatorischen und rechtlichen Weiterentwicklungen nur dann grei -fen können, wenn es gelingt, eine positive Be -schwerdekultur in den Einrichtungen und bei allen Akteur_innen zu entwickeln. Nur wenn P˜egebe -dürftige als Träger_innen von Rechten anerkannt und gesehen werden, wenn darauf aufbauend Beschwerden willkommen geheißen werden Œ erst dann kann es gelingen, auf verbesserbare Missstände aufmerksam zu machen. Eine solche Beschwerdekultur ist also Voraussetzung dafür, Unzufriedenheiten begegnen und die kritisierten Zustände letztendlich abstellen zu können.

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EINLEITUNG 101 Einleitung1 Vgl. Mahler (2017), S. 203. Zu nennen sind insbesondere die UN -Behindertenrechtskonvention (UN -BRK), der Internationale Pakt über wirt -schaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN -Sozialpakt) sowie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN -Zivil-pakt).2 Hoppach (2015), S. 54; vgl. auch Moritz (2013), S. 95. 3 Mahler (2018), S. 17. 4 Vgl. Moritz (2013), S. 103. 5 Vgl. Weiß (2019), S. 327. 6 Auch im P˜egeversicherungsrecht ist festgehalten, dass die P˜ege unter der Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten ist (§ 11 Abs. 1 SGB XI).7 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend / Bundesministerium für Gesundheit (2019). 8 Vgl. Bielefeldt (2009), S. 1Œ20. 9 Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin / Deutscher Hospiz – und PalliativVerband e. V. / Bundesärztekammer (2016). 10 Nationale Stelle zur Verhütung von Folter (2019), S. 35. Da Menschen mit P˜egebedarfen häu˚g in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind und sich daher in einem besonderen Abhängigkeitsverhält -nis zu anderen Menschen be˚nden, kommt Staat und Gesellschaft beim Schutz dieser Menschen eine besondere Verantwortung zu. Dies gilt vor allem dann, wenn es sich um Personen handelt, deren Artikulationsfähigkeit eingeschränkt ist und die deshalb nur noch in Teilen oder gar nicht mehr in der Lage sind, ihre Wünsche und Bedürfnisse selbst und in verständlicher Weise zum Ausdruck zu bringen und sich gegen Verletzungen ihrer Rechte zur Wehr zu setzen. Durch die Grundrechte des Grundgesetzes, ein -schließlich der Garantie der Menschenwürde, sowie durch die Rati˚zierung internationaler Men -schenrechtverträge ist der deutsche Staat dazu verp˜ichtet, bei seinem Handeln die Menschen -rechte P˜egebedürftiger zu achten und Menschen mit P˜egebedarfen vor Schädigung durch Dritte zu schützen. 1 Denn aus den Grund – und Menschen -rechten, denen die Garantie der Menschenwürde zugrunde liegt, ergibt sich die P˜icht des Staates, Menschen vor Übergri˛en Dritter zu bewahren und gefährdete Rechtsgüter aktiv zu schützen. 2 Aus dem Respekt vor der Menschenwürde er -wächst die menschenrechtliche Verp˜ichtung, P˜egebedürftige nicht als Fürsorgeempfänger_in -nen, sondern als Träger_innen eigener Rechte Œ von Grund – und Menschenrechten Œ zu betrachten und zu behandeln.3 Adressat der grund – und men-schenrechtlichen Schutzp˜ichten sind Legislative, Exekutive und Judikative gleichermaßen. 4 Für sta -tionäre P˜egeeinrichtungen hat der Staat die ihm obliegenden Schutzp˜ichten insbesondere in den Heimgesetzen der Länder umgesetzt. Diese Heim -gesetze sollen die Bedürfnisse, Interessen und Rechte der Bewohner_innen von P˜egeeinrichtun -gen vor Beeinträchtigungen schützen sowie de -ren Selbstbestimmung und Selbstverantwortung fördern. 5 Die Heimaufsichtsbehörden haben die Aufgabe, die Einhaltung der Vorschriften der Lan -desheimgesetze sicherzustellen; zu diesem Zweck stehen ihnen ordnungsrechtliche Sanktionsmittel zur Verfügung. 6 Außergerichtliche Beschwerde möglichkeiten für Menschen mit P˜egebedarfen Insbesondere die Charta der Rechte hilfe – und p˜egebedürftiger Menschen 7, die UN-Behinderten -rechtskonvention 8 sowie die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen 9 ha-ben einen Perspektivwechsel in der Betrachtung der Menschenrechte jener Personen angeregt, die ihre eigenen Rechte nur begrenzt geltend machen und durchsetzen können. Trotz ihrer Beeinträchti -gungen sollen auch sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. 10 Die UN-Behindertenrechts -konvention hebt daher ausdrücklich das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Anerkennung als Rechtssubjekt hervor (Art. 12) und das Recht

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EINLEITUNG 11auf Zugang zur Justiz (Art. 13). 11 Das Recht, als Träger von Rechten anerkannt zu werden, gilt für alle Menschen, unabhängig von einer Behinderung (Art. 16 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte). Menschenrechte brauchen für ihre Wirksamkeit e˛ektive Durchsetzungsmecha -nismen. Dementsprechend ist auch der Zugang zum Recht als Menschenrecht garantiert. 12 Damit Menschen mit P˜egebedarfen ihre Rechte voll -umfänglich wahrnehmen können, ist der Staat verp˜ichtet, einen rechtlichen Rahmen und auch Gerichtsverfahren oder außergerichtliche Be -schwerdestellen vorzusehen. 13Auch bei einem ausdi˛erenzierten Rechtssystem können Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Natur beim Zugang zum Recht bestehen. 14 P˜ege -bedürftige in stationären Einrichtungen be˚nden sich in einer abhängigen, hilfebedürftigen und häu˚g auch isolierten Lage. Für sie sind die Zu -gangshindernisse zur Gerichtsbarkeit besonders hoch. Sie benötigen Unterstützungsstrukturen, um ihren Willen und ihre Meinungen artikulieren zu können. 15 Zudem ist für p˜egebedürftige Men -schen in Heimen Œ wie für die meisten Menschen Œ der Weg zu Gericht nur ein letzter Schritt, wenn alle anderen Möglichkeiten, einen Kon˜ikt zu lö -sen, gescheitert sind. Wenn ihre Rechte verletzt werden, bedarf es deshalb niedrigschwelliger Be -schwerdemöglichkeiten vor Ort, die leicht zu er -reichen sind, deren Verfahren wenig formalisiert sind und die Schutz gewähren können. 16 Nur wenn sich p˜egebedürftige Heimbewohner_innen wie auch ihre Unterstützer_innen gegen Rechtsver -letzungen wirksam zur Wehr setzen können, bleibt das Menschenrecht auf Zugang zum Recht und das Recht auf wirksame Beschwerde gewahrt, das in Art. 2 Abs. 3 des UN -Zivilpakts und in Art. 13 11 Vgl. AGP Sozialforschung Social Research (2019); Aronson / Mahler (2016), S. 37. 12 Rudolf (2014), S. 8. 13 Vgl. Mahler (2017), S. 203. 14 Rudolf (2014), S. 1Œ2. 15 Bielefeldt (2019), S. 109. 16 Rudolf (2014), S. 11. 17 Siehe Para. 36 der Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses der Rechte von Menschen mit Behinderung zu Deutschland vom 13. Mai 2015, UN -CRPD/C/DEU/CO/1; siehe Para. 25c der Abschließenden Bemerkung zum 7. und 8. Bericht Deutschlands des Aus -schusses zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau vom 3. März 2017; Para. 16 der Abschließenden Bemerkung des Ausschusses für die Rechte des Kindes vom 30. Januar 2005. 18 Allerdings machen die Vorgaben des SGB V, SGB XI, die Stärkung der Verbraucherposition und die Ausweitung der Mitbestimmung der Bewohner_innen seit Einführung des P˜ege Qualitätssicherungsgesetzes (2002) deutlich, dass jede Einrichtung ein weitreichendes Instru -ment der Qualitätssicherung etablieren muss. der Europäischen Menschenrechtskonvention ver -ankert ist. Internationale Menschenrechtsorgane wie der Ausschuss der Rechte von Menschen mit Behinderung, der Frauenrechts – und auch der Kin -derrechtsausschuss empfehlen daher Deutschland in vielen Bereichen, außergerichtliche Beschwer -destellen einzurichten. 17Bestehende Beschwerde möglichkeiten in der stationären Altenp˜ege In Deutschland existiert bereits jetzt eine große Bandbreite sehr unterschiedlicher Institutionen und Organisationen, die ein Mandat zur Entgegen -nahme und Bearbeitung von Beschwerden im Be -reich der stationären Altenp˜ege haben. In der Praxis ist ein Beschwerdemanagement als inter -nes Verfahren im Rahmen des Qualitätsmanage -ments in den meisten P˜egequalitätskonzepten vorgesehen. Die Einführung eines Beschwerde -managements innerhalb von Einrichtungen wird jedoch nicht explizit vom Bundesgesetzgeber vor -geschrieben. Es handelt sich um eine freiwillige Maßnahme zur Qualitätssicherung einer Einrich -tung.18 Weiterhin sehen die jeweiligen Heimge -setze der Bundesländer vor, dass Vertretungen der Bewohner_innen für die Realisierung der Grund – und Mitwirkungsrechte der Bewohner_innen ein -treten. Dazu zählt die Verp˜ichtung, Anregungen oder Beschwerden entgegenzunehmen und mit der Leitung darüber zu verhandeln, dass die Män -gel beseitigt werden. Die Heimaufsichtsbehörden und die P˜egekassen sind dazu verp˜ichtet, die Einhaltung der Heimgesetze bzw. die Vorgaben zur P˜egequalität zu überwachen. Sie sind damit auch verp˜ichtet, Beschwerden von Bewohner_innen stationärer P˜egeeinrichtungen entgegenzuneh -men und zu bearbeiten. Daneben gibt es unter -schiedliche Beschwerdestellen in staatlicher oder

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